Friday, August 21, 2009

Konsum, -Wahn und Erlebnis Bus

Car Nation?

Um mir die Wartezeit auf die E-Mail von der Uni zu verkürzen beschließe ich mir ein Headset zu kaufen um heimtelefonieren zu können. Außerdem brauche ich dringendst ein Handtuch, da

mein mitgebrachtes zu klein ist. Und wo bekommt man sowas? Zumindest nicht in den nahe gelegenen Supermärkten. Ein Amerikaner würde sich jetzt sein Auto schnappen und 5 Minuten bis zum nächsten Einkaufszentrum fahren. Als autophober Mensch bleibt mir dagegen nichts anderes übrig als mit dem Bus zu fahren (riding the bus). Zumindest geht die Linie direkt bis zu Target (Großflächen-Discounter) und ich brauche nicht umzusteigen. Die orange-blauen Busse sind echte Hingucker. Sehen fast aus wie Trucks. Der Bus kommt tatsächlich auch pünktlich, wenn auch recht unregelmäßig über den Tag verteilt, aber das kann man ja zum Glück im Internet nachschauen (nicht jedoch an den Stationen). Bus-Stationen werden nur an Umsteigestationen ausgerufen. Zunächst verstehe ich von den automatischen Ansagen nichts und auch die elektronische Anzeige zeigt 90% der Zeit nur die Uhrzeit an.

Nach und nach beginne ich aber das System zu verstehen. Bus-Stopps sind grundsätzlich mit zwei Namen bezeichnet, die eine Straßenkreuzung beschreiben. Überraschenderweise ist der Bus nicht mal leer, es fahren noch andere mit. Auf der Rückfahrt vom Shopping Center traue ich meinen Augen kaum, als ein relaxter Mann in Professoren-Alter etwas unverständliches vor sich hinbrummelt und vor den Bus läuft. Er fuhrwerkt da etwas herum, dann sehe ich, dass er sein Fahrrad von der Busspitze abgenommen hat. Ja, die Busse hier haben gegenüber deutschen den Vorteil, dass man ein Fahrrad mitnehmen kann. Das wird dann vor das Führerhaus geschnallt ... dafür gibt es aber keine adäquaten Schienenverkehrsmittel.


Konsumieren, konsumieren, konsumieren

Einkaufszentren befinden sich hier an fast jeder Ecke zwischen zwei Straßen. Auf der Karte gut als Unregelmäßigkeiten zwischen den Dichten monotonen Wohnsiedlungen zu erkennen. In "The Crossroads" hoffe ich ein Headset zu finden und Handtücher. Dass es ein Headset gibt, habe ich gestern bei der Handysuche schon gesehen. Und auchHandtücher finden sich.

Daneben noch eine Apotheke, Geschirr, Staubsauger, Spielzeug, Möbel, Fernseher ... ein Discount-Warenhaus eben, nur dass es keine Lebensmittel gibt (nur trockene). So niedrig sind die Preise für meinen Geschmack aber tatsächlich gar nicht. Ich kaufe mir auch noch ein wenig Kleidung und mache mich auf den Rückweg.

Back home, stelle ich fest, dass das Headset nicht richtig funktioniert. Harshid kommt und wir gehen zusammen zu Taco Bell / Kentucky Fried Chicken. Er erklärt mir, dass beide zum Pepsi-Konzern gehören und daher auch zusammen eine Filiale haben können. Ich bestelle mir Cheesy Potatoes. Und, hey, endlich bestätigt sich die Vermutung meines Bruders, bei solchem Essen werde ich sicher zunehmen: 50% Kartoffeln, 50% Käse und Sauerrahm. Auch wenn ich Fett mag, aber das war selbst mir zuviel. Harshid möchte gerne sehr freundlich sein (er verdient immerhin auch gut) und lädt mich zu einem Beefy Cheese Burrito (oder so ähnlich) ein. Schmeckt nicht unbedingt schlecht, aber mehr hätte ich davon nicht essen können. Ist auch nix gesundes drin oder dran. "Dafür ist es billig" erklärt mir Harshid. Wir gehen nochmal zu Albertson's denn er will sich noch etwas für Freitag kaufen. Und da sind auch noch eine Menge andere konsumfreudige Menschen, selbst um 10 pm (22 Uhr). Mit steinernem Magen gehts ins Bett ... Harshid macht sich doch tatsächlich noch einen weiteren Wrap...


Daniels Prophezeiungen

Heute musste ich nach Mission Viejo um meine Sozialversicherungsnummer zu beantragen. Ich fahre also wieder mit dem Bus. An einer Ecke des Business-Komplexes muss ich umsteigen. Hier glänzen die Bürotürme von Banken und anderen Unternehmen nur so. Irgendwann kommt dann auch endlich der Anschlussbus, der mich nun innerhalb von 40 Minuten zwei Orte weiter tragen würde. Ich passiere Hochglanzgebäude von Canon, Daimler-Benz, myprint und vielen anderen, deren Namen ich nicht mal kannte, kann endlich einen Blick auf das Irvine Spectrum (das größte Shopping Center in Irvine) werfen und stelle mit Freude fest, dass es doch eine Busverbindung zu Irvines Eisenbahnstation gibt.

Mitten im Nirgendwo (siehe Bild) angekommen, suche ich nach der Nummer 26051. Zum Glück habe ich mir die Karte vorher gut angeschaut, sonst hätte ich mich hier nie zurecht gefunden. In der Social Security Administration wird mir wieder einmal bewusst, dass Deutschland nicht das einzige bürokratische Land der Erde ist. Mindestens 50 Menschen sitzen dort und warten auf ihren Aufruf. Denn man muss eine Nummer ziehen, die dann aufgerufen wird. Erstaunlich finde ich vor allem die Größe des Offices im Vergleich zur Größe des Gebäudes. Entsprechend schleicht die Zeit dahin und statt A10 (meine Nummer war A17) wird B 99, B 100, B 101 und so weiter aufgerufen. Wie gut, dass ich mir was zu lesen mitgebracht hatte. Plötzlich geht alles ganz schnell und ich finde mich mit Antragsbestätigung an der Bushaltestelle wieder.

Nach einiger Wartezeit kommt eine dunkelhäutige, kurzhaarige, sehr taff aussehende Latina vorbei und meint der Bus kommt erst in einer Stunde. Ich bedeute ihr, dass gleich einer kommen müsste, nämlich um 25 und sie stimmt zu. Wir beginnen zu reden. Ich frage sie, was sie hier macht. Sie sagt mir in einem arroganten Tonfall "Ich wohne hier, ts, ts, ts", so nach dem Motto, wie kann man sowas nur fragen. Sie fragt mich woher ich komme. Nachdem ich erklärt habe, was ich hier mache, macht sie erneut ein sehr geringschätziges Geräusch. Über die Frage wie ich es hier finde teilt sie mir mit, dass dies kein sicherer Ort sei, sicherer als anderswo, aber dennoch finde viel Gewalt im Verborgenen statt. Und "ihr Weißen" würden dazu mehr beitragen als "ihr" vorgebt. Ich höre zu. Sie erklärt mir, dass alles immer schlimmer wird. Auf meinen Einwand die Wirtschaft würde sich doch gerade wieder verbessern und das schlimmste sei mit Sicherheit überstanden reagiert sie nur mit einem abfälligen Blick und meint "Es sieht nur so aus, als ob alles besser wird. Aber bevor es besser werden kann, wird es erst noch einmal richtig schlimm." Aber das sei "ja sowieso egal, alles ist so wie es sein soll. Es muss erst alles zerstört werden, bevor Messias auf die Erde kommen kann." Und sie beginnt eine Lobrede auf Gott ... Ich höre weiter zu, beschließe meine Meinung dazu lieber nicht mitzuteilen. Plötzlich beginnt die Frau fürchterlich zu husten und ich fürchte schon, dass sie die Schweinegrippe hat. Sie holt ein abgegriffen aussehendes Buch (Daniel's Prophecies) aus ihrer Handtasche (die im übrigen die Hälfte meines Sitzes einnimmt) und beginnt daraus vorzulesen. Angeblich gab es vier große Regierungen: die Babylonier, die Mesopotamier, die Römer und jetzt die Amerikaner. Irgendwie sind wir alle voneinander abhängig (da kann ich ihr mal zustimmen). Wenn Amerika nicht mehr ist, dann ist nichts mehr und dann kommt der Messias, weil der erst kommt wenn es keine Regierung mehr gibt. (Zumindest habe ich das so verstanden) Sie fragt mich, ob ich das Buch haben möchte. Ich verneine mit dem Hinweis darauf, dass ich den Titel im Kopf behalten werde und dass man das doch auch sicher irgendwo bestellen kann. Ihre Reaktion ist unwirsch: sie hätte dazu Jahre gebraucht bis sie das Buch von ihrer Mission erhalten hat. Auf meinen Einwand mit dem Publikationsdatum in dem Buch reagiert sie gar nicht erst. Dann geht sie nach vorne die Busfahrerin beschwatzen. Da ist meine Missionierung wohl gescheitert ... ich bin froh drüber und steige aus dem Bus aus um mein Headset umzutauschen - wenn den Amerikanern eines mit Sicherheit heilig ist, dann das Shopping und damit kann zum Glück auch ich was anfangen.

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